LXXXI. Frauenmangel

Die Frau wurde zum Sklaven, bevor es den ersten Sklaven gab.
August Bebel
(Die Frau im Sozialismus, 1879)

Die Zivilisation – eine beinahe vollständig männliche Angelegenheit – ist ein Prozess gewesen, bei dem die Männer selbst für die Zerstörung der Männlichkeit gearbeitet haben.
Rosa Mayreder

 

Könnte die Katastrophe am Frauenmangel gelegen haben?

Im Deutschland der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war ein Frauenüberschuss zu verzeichnen. Das war gut für das Land und gut für die Frauen, auch wenn viele ihren Mann vermissten. Der Frauenüberschuss ergab sich in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zum einen natürlich aufgrund der zahlreichen Gefallenen, zum anderen zusätzlich, weil 210.000 Männer in der französischen Fremdenlegion anheuerten, die meisten von ihnen ehemalige SS-Angehörige oder Mitglieder der Wehrmacht mit schlechtem Gewissen oder dem Gefühl, etwas verbergen zu müssen. Diese Tatsache war später nicht allgemein bekannt, aber für das Land scheinbar hilfreich. Sie lieferte den verbleibenden Männern genügend Frauen, an deren Eroberung sie nur ein Minimum an Energie verschwenden mussten, und den Frauen die Möglichkeit, zu arbeiten und damit Selbstständigkeit und Freiheit zu gewinnen, auch wenn das mit der Freiheit relativ ist und ihre Durchsetzung zum Teil lange dauern sollte.

China, Indien und die arabische Welt litten unter einen immer akuteren Frauenmangel, vor allem seit der Entdeckung einer Methode zur Früherkennung des Fötusgeschlechts. Gerade in der arabischen Welt und im hinduistischen Kulturbereich war die massenhafte Entscheidung, weibliche Föten abzutreiben, obwohl seit Jahrzehnten streng verboten, für die einzelnen Elternpaare durchaus nachvollziehbar, aber dessen soziale Folgen stellten mit einer Verzögerung von zwanzig Jahren einen verheerenden Faktor dar. Zuletzt fehlten in China über 100 Millionen Frauen oder es gab 100 Millionen Männer zu viel, so könnte man es ebenfalls sehen. Die chinesischen Männer, die verwöhnten Ergebnisse der „Ein-Kind-Politik“, die rundum versorgten Tyrannen, die kleinen Götter, die das harte Arbeiten verlernt haben, die dürften Konfuzius in seinem Grab zum Rotieren bringen: Die Eltern werden nicht mehr geehrt, Verträge nicht eingehalten. Pacta sunt servanda? Nie gehört, nur der kurzfristige Profit zählt, nur der eigene Vorteil ist wichtig. Klingt rassistisch? Ist aber sexistisch gemeint. Chinesen und Inder haben sich zu helfen versucht, indem sie Frauen aus dem einst verachteten Ausland importierten: Philippinas, Malayinnen, Indonesierinnen, schließlich Südamerikanerinnen und sogar Schwarzafrikanerinnen – ein Umstand, der in früheren, für besser gehaltene Zeiten den Kampf gegen Rassismus hätte vorantreiben können. Jetzt nicht. Dennoch gab es nicht genug Importweiber und ein Zuviel an jungen, sexuell zwangsunterdrückten Männern verhieß nichts Gutes für den inneren Frieden einer Gesellschaft. Es bildeten sich Banden junger Männer, die Vergewaltigungsrate nahm zu (gleichermaßen die Geschlechtskrankheiten) und die älteren Männer, die mit Hilfe von Geld, Status oder Gewalt junge Mädchen abbekommen hatten, die glücklichsten und mächtigsten unter ihnen polygam, wurden immer öfter angegriffen, umgebracht und ihrer Weiber beraubt. Nicht selten töteten die jungen frauenlosen Männer die Frauen, die sie eroberten, gleich mit. Damit wurde das Problem erst recht nicht gelöst, die Gewaltbereitschaft indes war sehr schnell ins Unvorstellbare gestiegen. Vielleicht dachte mancher, mit zunehmender eigener Grausamkeit sinke sein persönliches Risiko, selbst zum Opfer zu werden. Manch einer war dermaßen hasserfüllt, dass er selber zwar keine Frau wollte, aber noch viel dringender wollte er, dass kein anderer eine hätte. Viele waren einfach Psychopathen. Je weniger Frauen, desto höher ihr Marktwert, sollte man meinen. Das Gegenteil war der Fall. Je mehr Männer – und damit meine ich in erster Linie zunächst vor allem die jungen Männer – die Frauen unterdrückten, je aggressiver die Männer wurden, desto tiefer sank der Wert der Frauen in ihren Augen. Das kann nicht nur an der Grippe gelegen haben! Für eine derartige Einstellung waren doch wohl vorher schon klare Ansätze vorhanden!

Dabei fand ein Großteil dieser sadistischen Gewalt sicherlich hinter verschlossenen Türen statt und war von unseren Augen nicht aufzunehmen. Das ganze Ausmaß des Grauens bleibt für immer ein Geheimnis. Wir wollen es gar nicht wirklich wissen. Wozu auch? Es ist frustrierend. Es ist ohnehin zu spät… Wir fliegen weiter und weiter, die Seele betrübt, zufrieden, bisher dem Tode entkommen zu sein, aber ebenso um die Frauen trauernd.

Ja, viele Gedanken gehen mir durch den Kopf… Ich habe nur noch Theorien im Geiste, Daten ohne Ende auf Deep Doubt. Und viel Zeit.

Gleichwohl war der sexuelle Dimorphismus zwischen Mann und Frau nie so gering wie kurz vor dem Ende. Nicht nur der Unterschied in der Körpergröße war kleiner als bei jeder anderen Primatenart, auch deren soziale Stellung und die Machtverhältnisse hatten sich vielerorts stark angeglichen, bei allen berechtigten Klagen der Frauenrechtlerinnen. Letzten Endes übten die Frauen zum Schluss sogar ebenso häufig Gewalt aus wie die jungen Männer. Das war eigentlich nicht ihre Art, früher… Vielleicht lag das doch an der Grippe.

 

zurückvor

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.