L. G23

L’Etat c’est la grande fiction par laquelle tout le monde s’efforce de vivre aux dépens de tous les autres.i
Frédéric Bastiat (1801–1850)

Die sogenannte Gruppe der 23, kurz G23, bestand aus der einstigen Gruppe der sieben reichsten Nationen der Welt, die G7 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA – in alphabetischer Reihenfolge, um niemandem einen Grund zu geben, sich auf die Zehen getreten zu fühlen), die 1998 Russland zu ihren Beratungen hinzugezogen hatten, womit sie die G7 plus eins, nach Adam Riese also einfach die G8 wurden, und den später hinzugekommenen Nationen Volksrepublik China, Indien, die Iberische Republik, Brasilien, Indonesien, Iranak, Mexiko, Saudi-Arabien, Nigeria, Korea, Liechtenstein als Stellvertreter der neutralen und in allen relevanten Bereichen neutralisierten Schweiz, Polen, Argentinien, Kasachstan und Südafrika (diesmal in der Reihenfolge des Beitritts aufgelistet). Im Jahr 2029, Italien hatte sich mittlerweile in die Republik Norditalien und Padanien und dem Despotat beider Sizilien und Napoli geteilt (am G23 war nur die Republik Norditalien und Padanien als Teilnehmer zugelassen, das Despotat beider Sizilien und Napoli wurde nach außen hin selbstverständlich von allen anständigen Staaten verachtet und geächtet), war es turnusgemäß an Japan, den Vorsitz zu führen. Am 7. Juli eröffnete die Regierungschefin Japans, Frau Kaori Takanashi (Ms.), das Treffen auf der abgelegenen und gut bewachen Insel Okinawa mit folgenden Worten:

„Willkommen in Japan! Der erste Tag dieses Gipfels auf Okinawa ist der 7. Juli, in Japan Tanabata genannt, das Fest der Sterne. An diesem Tag, so unsere Überlieferung, treffen sich die Liebenden Orihime, im Westen als Vega oder Wega bekannt, in der arabischen Tradition an-Nasr al-Wāqi bennant, und Hikoboshi, im Westen als Altair bekannt nach der ursprünglichen arabischen Bezeichnung al-Nasr al-Tair. Zuvor waren sie von der Milchstraße, einem Sternenfluss, getrennt worden. Nur an diesem Tag kommen sie zusammen. Dieser Legende nach können Wünsche wahr werden, wenn man sie auf einen schmalen Papierstreifen niederschreibt und diesen Streifen während des Festes der Sterne an eine Bambuspflanze bindet. Der 7. Juli ist ein sehr günstiger Tag, um das jährliche Treffen der Staats- und Regierungschefs der G23 zu eröffnen.“ii

Dieser nette astrologische Aberglaube sollte sich leider nicht bewahrheiten. Soweit der öffentliche Ausschnitt der Eröffnungsrede, wie die Nachrichtensender ihn weltweit übertrugen. Aber Frau Kaori Takanashi (Ms.) redete natürlich weiter und wurde dank der Relaisdienste unserer Vendobionten aus sieben weltweit verstreuten, jedoch gut koordinierten Einrichtungen simultan gedolmetscht. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle kurz etwas zur Simultanverdolmetschung sagen, damit verständlich wird, was bei dem Treffen der G23 passierte und wie es dazu kam, dass ich das erfuhr.

i „Der Staat ist jene große Fiktion durch die sich jeder bemüht, auf Kosten all der anderen zu leben.“
ii Vgl. The Japan Times, 6. Juli 2008, Nr. 39.220, G8 Toyako Summit Special, Titelseite, und „The Daily Yomiuri”, 17. July 2008, S. 16.

 

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