VI. Abgemacht!

„Du meinst es im Ernst?“

„Ich habe es immer im Ernst gemeint!“

„Nicht wie deine Mückengeschichte?“ Meine geliebte Frau runzelte die Stirn und legte ein ironisches Lächeln an. Sie kannte meine erfolglosen Erfindungen.

„Die war auch im Ernst gemeint, es klappte nur nicht…“

„Das war von Anfang an Schwachsinn und du weißt es!“

„Ach, mein kleiner Cherub! Wollen wir das wieder durchdiskutieren? Es hätte geklappt, wenn es jemandem wichtig gewesen wäre, die elenden Biester auszurotten. Wir hätten Malaria, die lymphatische Filariose,…“

„…Elephantiasis genannt, das Gelbfieber, das Dengue-Fieber, das West-Nil-Fieber, das Chikungunya-Fieber, das Rift-Valley-Fieber, die Tularämie und sogar die Ockelbo-Krankheit, auch als Pogosta-Krankheit oder Karelisches Fieber bekannt, besiegen können! Wenn ich keine wichtige Krankheit vergessen habe.“

Ich habe dieses Thema mit meiner geliebten Frau wohl schon sehr oft besprochen und sie hat offenbar zugehört. Ich redete weiter, mehr aus Trägheit heraus, es ging mir jetzt nicht um dieses Thema:

„Aber leider waren den Reichen und den Rechten die Opfer egal. Letztere waren eh nur Drittweltler. Den Ökos und den Linken widerum waren die Mücken und die Biodiversität wichtiger, selbst die Mücken, die nicht nach Europa gehörten.“ Diese ortsfremden Lebewesen nennt der Fachmann Xenobionten, aber das wollte ich nicht auch noch wiederholen.

„Nun gut, Pardel, mein Lieber… Das brauchen wir jetzt nicht erneut zu diskutieren. Aber wenn du Luftschiffe bauen willst, müssen wir es richtig machen, von Anfang an. Ich hoffe, du hast einen Plan.“ Sie kreuzte die Arme und legte sie auf den Tisch. Sie war bereit, mir zuzuhören. Es wurde ernst.

„Deswegen brauche ich deine Hilfe, mein kleiner Cherub. Wir haben nun genug Geld, um den Rest unseres Lebens sorgenfrei leben zu können. Aber die Luftschiffe sind eine phantastische Aufgabe und es soll kein philanthropisches Unterfangen werden, es soll sich rentieren. Ich kann für die technische Machbarkeit sorgen, aber für die Organisation und die Rentabilität brauche ich dich.“

„Bist du dir sicher, dass es funktioniert?“

„Ach Cherubimchen! Schau dir das Modell an! Ich nenne es Rattatán und es fliegt wie eine Eins, auch wenn es wie eine Acht aussieht. Wenn wir die Produktion professionell anstellen, wird es funktionieren! Dann bauen wir mit den Erlösen der kleinen Luftschiffe immer größere Modelle, bis wir Tonnen befördern können. Und Tonnen befördern bedeutet, dass wir Menschen transportieren können.“

„Die Frage, mein Seraph, lautet letztendlich immer gleich: Wird jemand dafür bezahlen wollen?“ Ich liebe ihre kleinen Falten auf der Stirn. Das war in der Tat die richtige Frage.

„Das verspreche ich dir! Schlange werden sie stehen, wir werden das ultimative Statussymbol! Und die kleinen Geräte, die wir bis dahin entwickeln müssen, werden für Polizei, Geheimdienste, Zollkontrolleure, Wissenschaftler und selbst für Otto Normalverbraucher interessant, wenn wir die Daten über das Netz abrufbar machen. Wir müssen nur gut anfangen und danach wachsen, wachsen, wachsen… und jede Stufe gewinnbringend vermarkten!“

„Und dabei brauchst du meine Unterstützung…“, sagte meine geliebte Frau mit einem Lächeln.

„Ohne dich macht es keinen Sinn“, antwortete ich. „Es wird auch so schwer genug – denk nur an die Regulierungen, die wir werden beachten müssen! Luft gibt es auf der ganzen Welt, aber die Gesetze sind überall anders. Und man wird versuchen, uns zu betrügen und gegeneinander auszuspielen, es wird Spionage geben und schlimmstenfalls sogar Sabotage.“

„Ich bewundere deinen Optimismus.“ Meinte sie das ironisch? „Also, einverstanden: Du stehst dafür gerade, dass die Technik funktioniert, und ich übernehme die Organisation. Mit allen Vollmachten. Und wenn ich sehe, dass wir auf eine Pleite zusteuern, beende ich das Experiment.“ Das Lächeln auf ihrem Gesicht konnte unmöglich breiter sein als das auf meinem. „Aber warum bist du dir so sicher, dass es – wie hast du es noch mal ausgedrückt? –das ultimative Statussymbol sein wird?“

„Du weißt, in meinen Augen sind bei uns, im wohlhabenden Westen, die letzten wirklichen Statussymbole Zeit und Raum.“

„…und Stille!“, fügte meine geliebte Frau völlig zu Recht hinzu. Ich kannte diese ihre Meinung, also nickte ich zustimmend und fuhr ungebremst fort:

„…also Unabhängigkeit und Ruhe, wir haben des Öfteren darüber gesprochen. Wer mit seiner Zeit anfangen kann, was er will, und den Raum nach Gusto nutzen darf, etwa mit einer großen Wohnung in guter Lage oder mit weiten Reisen, der hat etwas, was sich die Mehrheit nicht leisten kann. Früher war das anders: Ich las einst die Geschichte eines römischen Kaisers, für den bestand Luxus darin, die Arbeitskraft seiner Untertanen auszubeuten. Er besaß zum Beispiel ein Kühlschrank, mit dem er im Hochsommer seinen Gästen Eis kredenzen konnte – so stellte man sich Luxus vor zweitausend Jahren vor. Zu diesem Zweck bauten seine Sklaven ein Kellergewölbe unter seiner Sommerresidenz und füllten es im Winter bis zur Decke mit Schnee. Der Schnee wurde mithilfe von Mauleseln aus den Bergen gebracht, mit enormen Schmelzverlusten. Durch Druck wurde der Schnee teilweise vereist, das so entstandene Eis war teurer als die Speisen und Getränke, die es kühlte!i Die Arbeitskraft, die für diese Prozedur nötig war, war die reinste Verschwendung. Hunderte Menschen und Maulesel mussten Schnee schippen, von den Bergen in die Villa transportieren, lagern… Der Großteil schmolz unterwegs. Heute hat jeder einen Kühlschrank mit Gefrierfach im Haushalt, sogar in den armen Regionen der Welt. Ich weiß, es gibt Luxusmodelle für 50.000 Taler und Discountermodelle für unter 500 Taler, das ist um einen Faktor von Hundert billiger. Aber diese Differenz im Preis liegt nicht in der Leistung der Geräte begründet, genauso wie ein Bentley zwar zwanzig Mal teurer als ein Fiat ist, aber der Unterschied zwischen keinem Auto und einem Fiat ist größer als der Unterschied zwischen einem Fiat und einem Bentley. Und einen Fiat, und wenn es nur ein gebrauchter ist, kann sich jeder leisten.“

„Selbst du hattest schon als Student einen Fiat Lux!“

„Ja natürlich, er war ja freundlicherweise nach mir benannt! Aber eben: Es gibt keinen inhärenten Luxus mehr in den Objekten als solche, außer vielleicht in der Kunst, im Segeln und in den Immobilien und da auch nur bedingt. Irgendeine Wohnung hat jeder und sei es zur Miete, Jachten kann man chartern und Kunst ist subjektiv und zum Teil preiswert bis billig. Luxus ist das obere Segment eines Marktes, aber es gibt keinen Markt mehr, der per se nur reiner Luxus ist. Luxus ist zur Verschwendung verkommen, wie bei den reichen Arabern, die Millionen in Auktionen ausgeben, um das Privileg zu genießen, ein einstelliges Nummernschild haben zu dürfen, weil ja bei denen ein Ferrari allein nichts mehr darstellt.ii Luftschiffe werden wieder Luxus ohne Verschwendung ermöglichen, ohne Frivolität. Kaum jemand wird sie sich leisten können. Man wird die Besitzer beneiden, aber es werden nur wenige sein. Und den breiten Markt bedienen wir mit Bildern, die wir ins Netz stellen: Wenn die Masse nicht im Luftschiff sitzen kann, dann soll sie dafür bezahlen, das zu sehen, was man vom Luftschiff aus sehen würde, wäre man denn da. Die Massen dürfen gegen Gebühr das sehen, was wir den Mega-Reichen anbieten, aber sie dürfen es nicht anfassen, geschweige denn besitzen. Und dadurch wird es für die Reichen erst interessant. Sie dürfen es kaufen.“

„Ich bin gerne bereit, dir zu glauben. Hoffentlich werten wir unser Produkt mit den Bildern, die du verkaufen willst, nicht ab!“

„Ganz im Gegenteil, du wirst sehen. Wir wecken Sehnsüchte mit unseren kleinen Schiffen. Und wenn wir erst die Wirtschaft und die staatlichen Stellen damit bedienen, haben wir den Cashflow, um die großen Schiffe in Angriff zu nehmen.“

„Was können wir der Wirtschaft geben, was sie nicht schon hat?“

„Luftschiffe sind wie Satelliten, nur fliegen die viel, viel tiefer und kosten viel, viel weniger. Die Einsatzmöglichkeiten sind ausschließlich vom Gesetzgeber zu begrenzen.“

„Und vom Wetter.“

Mein kleiner Cherub schaute aus dem Fenster auf die Platanen auf der gegenüberliegenden Straßenseite. In Berlin fielen endlich wieder ein paar vereinzelte Schneeflocken, es hatte schon zwei Winter kaum geschneit. Sie wollte das Unternehmen optimistisch betrachten, machte sich aber Sorgen, das sah man ihr an. Mit einer Handbewegung schien sie diese beim Aufstehen beiseitewischen zu wollen und ging in die Küche. Die Katze lief ihr in Erwartung ihres Futters nach und schlängelte sich schnurrend zwischen ihre Beine, während der Kater, phlegmatisch wie üblich, nur den Kopf hob; er wartete ab, ob es denn wirklich frisches Futter gab oder nicht. Foc, der Hund, schlief auf seinem Kissen.

„Bringst du mir bitte ein Bier mit?“, rief ich ihr nach. Sie brachte zwei, eins für jeden von uns.

i Karl-Wilhelm Weeber, „Luxus im alten Rom“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2003, S. 26
ii Time, Ausgabe vom 14. Juli 2008, S. 10.
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