LXIX. Nahrungssuche. Augen mit Kescher und mit Reusen

Wir bauen in manche Augen Kescher ein, um damit wie Schmetterlinge Obst zu fangen. Ist ja genauso bunt. Besonders einfach lassen sich auf diese Weise Datteln pflücken, Äpfel und Mangos sind auch nicht schwer zu sammeln, kleineres Obst, Kirschen oder Pflaumen etwa, ist etwas fummelig zu ernten. Andere Augen versehen wir mit Angelhaken und Reusen als Fisch- und Krabbenfallen. Oder sagen wir gleich, wenn wir Glück haben: Hummer- und Langustenfallen. Subsistenz ist gesichert. Oooh…, ich fühle mich satt und pudelwohl, das merke ich daran, dass meine Wortwahl geschwollen wird! Ich könnte rülpsen und furzen! Meine geliebte Frau verdreht die Augen und schaut zur Decke. Ich nehme mir vor, nicht völlig zu verhausschweinen. Aber einer meiner frühpubertären anarchistischen vagen Träume ist wahr geworden: Ich muss auf keine Konvention mehr achten. Ich muss einzig Respekt vor meiner geliebten Frau zeigen. Den Vorsatz nehme ich mir vor. Das ist wichtig.

Ali hilft gern beim Pflücken, das macht ihm Spaß und lenkt ihn ab. Wir entwickeln zusammen eine Methode, die Augen mit Wasser zu beschweren, damit wir die richtige Menge Wasser als Ballast loswerden können, wenn wir eine Frucht einsammeln. Direkt über dem Kescher bringen wir eine kleine Schere an, damit schneiden wir den Stiel oder den Ast ab, das reife Obst fällt in den Kescher. Die Früchte, die wir ernten, dürfen dementsprechend maximal genauso viel wiegen wie das Wasser, das die Augen im Voraus als Ballast mitgenommen haben. Ist die Grenze erreicht – bei überreifen und empfindlichen Früchten oder im Falle von Augen, die weit entfernt fliegen, auch früher – lassen wir die Augen zurückfliegen und fahren die Ernte ein.

Andere Augen statte ich, wie gesagt, mit Angelhaken aus, wiederum andere mit Fallen für Hummer, in denen wir auch Kraken fangen. Beides schmeckt mir ausgezeichnet. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt; es ist ein Vergnügen, aus der Luft zu fischen. Es erinnert mich an die Videospiele meiner Jugend.

Die Nahrungssuche stellt in den ersten Monaten kein Problem für uns dar. Wir finden mit Hilfe der Augen beinahe überall etwas Essbares. Wir sammeln bei Grenoble Nüsse und in Norditalien Edelkastanien ein, zu diesem Zweck steigen wir aus der Hyperborea aus und lesen die Früchte vom Boden auf; wenn es am Boden nicht genug von ihnen gibt, breiten wir eine Decke unter den Bäumen aus und schütteln sie, bis die reifen Früchte herunterfallen. Das ist sogar einfacher und weniger anstrengend. Sven Maven, Ali und ich übernehmen diesen Dienst gern. Die Ernte ist gut, wir haben viele Säcke gefüllt. Die meisten Edelkastanien dörren wir, bis sie sich leicht schälen lassen, dann mahlen wir sie zu feinem Pulver. Andere lagern wir säckeweise in der Kühlkammer, manche kochen wir in Sirup ein. Aus dem Mehl machen wir Pudding, Nudeln, Kuchen… Es ist beinahe wie ein Weizenmehlersatz, nur fetter und pappiger. Wir versuchen sogar, Bier und Schnaps daraus herzustellen, das gelingt uns jedoch nicht. Kastanien werden eine ganze Zeit lang zu einem unserer Grundnahrungsmittel, bis sie uns zum Hals heraushängen. Zu guter Letzt verfüttern wir sie an die Hühner. Sie machen satt und sind gesund, haben viele Vitamine und noch mehr Kalorien, aber irgendwann reicht es uns. Nüsse haben ähnlich viele Kalorien, lassen sich indes nicht so gut weiterverarbeiten wie die Edelkastanie, dafür halten sie ungetrocknet länger.

 

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