Die Ureinwohner des Feuerlandes bestanden vor Jahrhunderten aus vier zahlenmäßig kleinen Völkern. Sie dachten, bevor sie den weißen Mann zum ersten Mal erblickten, sie seien die einzigen Menschen auf der Welt, was zeigt, dass sie keine Kultur hatten, keine Überlieferung, die weit genug reichte, denn irgendwo mussten auch sie hergekommen sein und mit anderen Gruppen Kontakt gehabt haben. Diese Zeit, ihre Vergangenheit, hatten sie vergessen, hatten selbst Mythen aus dem Gedächtnis verloren. Sogar Darwin, sonst kein Freund von pauschalen Verurteilungen, hielt sie beinahe für Unmenschen. Eine verschleppte Familie wurde in der Pariser Weltausstellung vorgeführt, wo sie einsam und fern der Heimat vergrämt starb. Derlei Entführungen waren im ausgehenden 19. Jahrhundert eine große Attraktion in Europa, Menschenzoos sehr populär. In der späteren Pariser Weltausstellung von 1900 gab es einen Kolonialbereich, in dem komplette Dörfer aus den DOM TOMi nachgebildet wurden, komplett mit lebenden Einwohnern (wäre noch schöner gewesen, dass man sie ausgestopft ausgestellt hätte! Obwohl das auch vorkam). In Marseille wurde die Schau 1906 wiederholt, sie zog 1,8 Mio. Besucher an; im darauf folgenden Jahr in einer ähnlichen Ausstellung in Paris wurden sogar 2 Mio. Besucher gezählt. Carl Hagenbeck, der Gründer des Zoologischen Gartens in Stellingen in der Nähe von Hamburg, ein Garten, der bis zum Ende der Menschheit (ohne Menschenzoos natürlich, man war zivilisiert geworden) weitergeführt wurde, veranstaltete ab 1874 an die dreißig Völkerschauen, so nannte man die Inszenierungen im damaligen Deutschland, in denen Menschen aus vermeintlich exotischen Regionen ausgestellt wurden und zwar auf eine derartige Art und Weise, dass der gemeine Besucher, in diesem Falle eben zumeist Deutsche, sich in seinen Vorurteilen bezüglich der eigenen Überlegenheit und der Rückständigkeit der primitiven Kultur vorzüglich bestätigt fühlen konnte. Dieses Gefühl vermittelt zu bekommen, war den Menschen damals viel wert, Herr Hagenbeck verdiente nicht schlecht daran; selbst Kaiser Wilhelm II. besuchte seine Gehege, das war eine große Ehre für den Sohn eines Fischhändlers. Beim Kaiser rannte er mit seiner Darstellung der primitiven Völker natürlich offene Türen ein; dieser war so borniert, dass er gern alles glaubte, was die Deutschen als besser als alles andere darstellte.ii Herr Hagenbeck stellte demzufolge Ceylonesen, Samen oder Samek, Ostafrikaner und andere fremde Völker aus. In der Pariser Weltausstellung waren die armen Patagonier zu Tode ausgestellt worden. Sind wir heute nicht alle solche „Völker“? Die ursprünglichen Patagonier wurden ausgerottet, ausgerottet wurde in letzter Zeit allerhand sonst. Auf der Isla de Nasequí in der patagonischen Provinz Última Esperanza (was so viel wie „die letzte Hoffnung“ bedeutet; die Region, die unmittelbar an das Kap der Guten Hoffnung angrenzt), in einer Gegend, die aufgrund eines massiven Marmorberges unter Geologen berühmt wurde, aber nicht aufgrund der Menschen, die hier einst lebten und ausgerottet wurden, über diese Insel also heißt es, dass ihre ehemaligen Ureinwohner über mehr als dreißig Worte verfügten, um den Wind zu beschreiben, jedoch keines, um gutes Wetter auszudrücken. Deshalb sind wir so selten dort und deswegen ist es für mich so reizvoll. Für Luftschiffe eine unwirtliche Gegend. Ich wusste früher nicht, dass die ausgerotteten Patagonier die Zukunft vorwegnehmen würden, die Zukunft der Menschheit. Für sie wäre es überdies kein Trost gewesen, wenn sie es geahnt hätten. Es ist in Feuerland trostlos wie in Spitzbergen, ich nehme mir im Geiste vor, im nächsten Winterhalbjahr, wenn wir wieder auf der Südhalbkugel sind, eine kurze Periode guten Wetters abzupassen, um die Spitze Südamerikas zu überfliegen. Ich werde vorsichtig sein müssen, die Anden stellen eine mächtige Barriere dar.
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