XXIII. Die große InTschuRanz

Herr Augsburger hatte Neuigkeiten.

„Es wäre sehr viel einfacher, die Überfluggenehmigung für etliche Länder zu bekommen, wenn wir versichert wären, aber die Versicherungsgesellschaften scheuen ein unbekanntes Risiko. Da habe ich mir erlaubt, mit einem alten Kontakt zu reden, der einen hohen Posten bei der InTschuRanz innehat, und er hat einen Vorschlag.“

„Die große InTschuRanz? Oh weh!“ Ich hob meine Hände und schaute zur Decke. Es fiel mir ausgesprochen schwer, mir ein unsympathischeres Unternehmen vorzustellen. Ich vergaß nicht, wie sie uns behandelt hatten, als unsere Kinder starben; ebenso wenig, wie sie mich mit einer Lebensversicherung übers Ohr gehauen hatten. Meine geliebte Frau wusste mit einem Blick genau, was in mir vorging, legte ihre Hand konziliant auf meine und ergriff das Wort.

„Wie lautet dieser Vorschlag?“

„Sie meinen, wir hätten ein gutes Geschäftsmodell und würden gern bei uns einsteigen. Sie wollen einen Sitz im Aufsichtsrat.“

„Wir haben den Jenaern einen Sitz gegeben, jetzt wollen andere auch. Ziehen wir jetzt schon die Geier an? Soll ich das als gute Nachricht auffassen?“ Ich war gereizt, meine Stimmung war alles, nur nicht konstruktiv. Meine geliebte Frau war pragmatischer.

„Wenn wir mit der InTschuRanz die Überflugrechte bekommen, die uns sonst verwehrt blieben, ist das vielleicht eine Überlegung wert. Wir müssen natürlich dafür sorgen, und damit sind Sie gemeint, Herr Augsburger, dass wir die Kontrolle über unseren Laden nicht verlieren. Die große InTschuRanz ist finanzstark. Wir sollten von denen darüber hinaus viel Geld bekommen. Und es muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass die große InTschuRanz ihre Anteile an Dritte verkauft. Niemals. Anderenfalls würden wir die Kontrolle verlieren. Herr Augsburger, wir vertrauen Ihnen. Sie werden den Vertrag zu unseren Gunsten aufsetzen, oder? Sie werden Ihren Bekannten von der großen InTschuRanz nicht in die Karten spielen?“

„Selbstverständlich nicht!“ Herr Augsburger gab sich entrüstet. Ich hatte mich wieder einigermaßen gefangen.

„Vermutlich ist bei dieser Konstellation unsere jetzige Gesellschaftsform nicht mehr zeitgemäß. Ich möchte in zwei Tagen einen Bericht mit den Vor- und Nachteilen anderer Rechtsformen auf dem Tisch haben. Verhandeln Sie mit der großen InTschuRanz, aber schlagen sie diese Schweine dort, wo es sie schmerzt – auf der Brieftasche! Und unternehmen Sie nichts Endgültiges, bevor Sie von uns nicht ausdrücklich grünes Licht bekommen haben.“ Ich schaute auf meine geliebte Frau. „Ist das in Ordnung so?“

„Ich hoffe es. Warten wir es ab. Wenn die große InTschuRanz ihr Versprechen nicht schnell einhalten kann, will ich, dass der Deal automatisch rückgängig gemacht wird. Ich traue denen auch nicht. Aber die große InTschuRanz hat in einem Punkt recht: Unser Geschäftsmodell ist sehr gut, damit haben wir sie am Hacken. Kapitalisten ködert man mit Geld. Für die Aussicht auf Gewinne werden sie bereit sein müssen, viel Kapital zu investieren.“

„Ich halte Sie auf dem Laufenden“, sagte Herr Augsburger zum Abschied.

Meine geliebte Frau und ich waren unschlüssig. Die Aussicht, mit Hilfe und durch den Einfluss der großen InTschuRanz Überflugrechte für viele Länder zu bekommen, war verlockend und ich traute es ihnen zu, dass sie das zustande bringen konnten. Andererseits… Nachdem Herr Augsburger gegangen war, sprach meine geliebte Frau weiter.

„Ich denke, wir sollten uns auf das konzentrieren, was wir können. Es wäre, glaube ich, eine gute Idee, Herrn Klaasen zum Prokuristen der Firma zu machen. Er ist ein guter Ingenieur, hat seine Mannschaft gut im Griff, versteht mit Geld umzugehen. Wir sollten uns, wie deine Kamerafreunde aus Jena und die große InTschuRanz, auf den Aufsichtsrat konzentrieren und das Tagesgeschäft anderen überlassen. Wir müssen die Kontrolle behalten, aber nicht jede Entscheidung selber treffen.“

„Was genau ist ein Prokurist?“

„Ein Prokurist ist laut BGB jemand, der bei einer Firma alle Vollmachten besitzt, mit Ausnahme der einen, die ihm erlauben würde, die Firma zu verkaufen. Weitergehende Abmachungen, die seine Befugnisse beschneiden, können jederzeit getroffen werden. Er wäre eine Art Generaldirektor. Wenn wir es so regeln, dass er in erster Instanz allein uns gegenüber rechenschaftspflichtig ist, sind wir viele Sorgen los. Was meinst du, hast du jemand Besseren?“

Ich überlegte nicht lange, mein Bauchgefühl bezüglich Herrn Klaasen war gut, im Gegensatz zu Herrn Augsburger, ganz zu schweigen von der großen InTschuRanz.

„Ich halte es für eine ausgezeichnete Idee, mir fällt niemand Geeigneteres ein. Soll ich mit ihm sprechen oder wollen wir es gemeinsam machen?“

„Wir sagen es ihm beide, aber du redest. OK?“

„So wird’s gemacht!“ Damit war es beschlossene Sache.

„Dann machen wir es am besten bald, noch bevor die große InTschuRanz bei uns einsteigt. Von dem Zeitpunkt an wird es nicht mehr so leicht. Frag den Augsburger, ob wir deshalb die Jenaer konsultieren müssen. Er soll es beim Erarbeiten der neuen Gesellschaftsstruktur berücksichtigen.“ Ich griff zum Telefon.

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